Wir fahrradeuphorischen Epikureer

Die nächste Reiseetappe windet sich in Kurven und Kehren nach Süden, berichtet von einem rasanten Wettlauf (gegen eine Schlechtwetterfront), von einer japanischen Überraschung auf der anderen Straßenseite und einer weiteren - diesmal "chinesischen" - für Minxin. Ach ja, Mick Jagger kommt zwischendurch zu einem weiteren Cameo - Auftritt.

16.-17. Februar: in Split

Zwei Tage verbringen in Split und nutzen das sonnige Wetter, um den Marjan, einen 180 Meter hohen erloschen Vulkan am Rande der Stadt zu besteigen. Von oben hat man einen überragenden Eindruck über die Stadt, der Zoo nebenan mit seinen Tigern und Wölfen, die apathisch in viel zu engen Käfigen kauern, ist allerdings ein eher trauriger Anblick.

Split ist wie die meisten Städte in Kroatien eine sehr alte Stadt mit entsprechender Bausubstanz. Der Diokletianspalast aus dem 4. Jhdt. bildete die Keimzelle der Stadt und ist heute UNESCO Welterbe. In den engen Altstadtgassen rund um den Palast laden Bistros und Cafés zur Einkehr ein während sich unter den Füßen der Touristen ein riesiges unterirdisches Gangnetzweerk ausbreitet, das in spätrömischer Zeit errichtet wurde. Bezug zur Gegenwart haben die Wand "Torcida 1950 Hajduk" Graffitis an den Wänden, die ungefähr den Verbreitungsgrad von Kim Il Sung Portraits in Nordkorea erreichen.

Fußballgrafitti an jeder Ecke; der Diokletianspalast; der Marjan; Betonarchitektur in den Vororten (von links oben nach unten)

18. Februar: von Split nach Brela

Strecke: 54 km

Min. Höhe: 2m, max. Höhe 229m

Höhenmeter: 621m

Nach einer freiwillig-unfreiwilligen Fahrradpause von vier Tagen schwingen wir uns heute in die Sättel, um unser nächstes Ziel, die berühmte Hafenstadt Dubrovnik im Süden Kroatiens anzusteuern. Dubrovnik liegt eigentlich gar nicht so weit entfernt, die Straße bis dahin führt aber in unzähligen Kurven bergauf- und bergab die dalmatinische Adriaküste entlang, sodass wir uns vier bis fünf Tage Zeit für die Strecke genommen haben.

Wir passieren die Randbezirke von Split, betongewordenes Abbild des Titoschen Gulaschkommunismus der 1960er und 1970er Jahre und erreichen schließlich die ebenfalls zubetonierte Riveira  von Split. In Istrien hatten wir noch Fahrradwege entdeckt, hier gibt es nur noch sporadisch betonierte Fußwege mit oberschenkelhohen Bürgersteigen. Also Augen auf und ab auf die Bundesstraße. Glücklicherweise ist der Fahrstil der kroatischen Autofahrer eher bei mitteleuopäisch-moderat als lässig-mediterran anzusiedeln. Die Pkw bremsen artig und fahren in einem großen Bogen an uns vorbei während freundliche Lkw Fahrer kurz hupen, um ihr baldiges Überholmanöver anzukündigen.

Je weiter wir nach Süden vordringen, desto unverbauter wird die Küste und umso entspannter ist das Radeln. Überhaupt Kroatien – ich hatte bisher wenig Berührungspunkte mit diesem Land. Gut, es war oft Gegenstand in Geographie-Vorlesungen während meines Studiums wenn es um Poljen und Dolinen ging. Dazu kommen noch Nachrichtensendungen über kriegerische Auseinandersetzungen in den 90er Jahren und heute, tja, machen Meldungen von gelegentlich „erlebnisorientierten“ Fußballfans die Runde. Die Wahrheit sieht aber so aus: absolut gastfreundschaftliche, hilfsbereite Menschen, die auch unter Alkoholeinfluss bei diversen Karnevalsfeiern nicht austicken, preiswertes, gutes Essen in den Restaurants und nicht zuletzt die sonnendurchflutete, dalmatinische Adriaküste. Nach mehreren Monaten ohne Sonnenschein in Deutschland, ist die nicht enden wollende Schönwetterperiode eine echte Wohltat und auch hier nicht selbstverständlich, wie bereits andere Fahrrad-Toreros feststellen mussten.

Als sich die Dämmerung auf die Adria senkt nimmt eine vage Vermutung reale Gestalt an. Heute ist es soweit: wir werden das erste Mal unser Zelt aufbauen und im Freien übernachten. Die Gelegenheit ist günstig, es zeigt sich keine Wolke am Himmel und die Temperatur ist Ende Februar geradezu frühlingshaft mild. Doch wohin mit uns, den Fahrrädern und dem Zelt? Die Vegetation ist spärlich und bietet nur wenig Raum für unsere Rückzugspläne. Außerdem befinden sich in Sichtweite Wohn- oder Ferienhäuser. Und so kommt es mal wieder anders als man denkt. Während wir die Sachlage beraten, erscheint ein Teenager und führt uns zu einem wenige Meter entfernt liegenden „Sobe“. „Sobe“ ist so etwas wie eine Zauberformel in den letzten Tagen geworden – Sobe – auf Deutsch nüchtern „Zimmer“ - sind jene privaten Unterkünfte, die uns alles notwendige bieten – Bett, warme Dusche und (manchmal sogar phasenweise funktionierendes) WiFi zu niedrigen Preisen. Sobe – reduce to the max – kein nerviges Reinigungspersonal, das morgens an unsere Türe klopft, keine gähnenden Hotelrezeptionisten und keine zeitlich streng reglementierten Frühstückbuffets. Ab 17 Uhr nachmittags, wenn sich unser Fahrradalltag dem Ende nähert verkörpern Sobe das Ende unserer Träume, die Endstation Sehnsucht, den finalen Fluchtpunkt. Wir finden die Zimmer in der Nebensaison meistens ausgekühlt ohne Bettzeug vor, aber für Kroaten überhaupt kein Problem, sind diese in Windeseile hergerichtet. Die Wartezeit wird dann gerne mal mit selbstgebrannten Schnaps oder Smalltalk überbrückt. Heute sind wir bei Ivica und Marija geländet, einem Rentnerehepaar mit 7 Kindern. Nachdem der Nachwuchs sich ins Ausland verabschiedet hat, weil es in Kroatien nur wenige gutbezahlte Jobs gibt, werden die Zimmer nun im Sommer an Fremde vermietet. Man entschuldigt sich, es sei Beginn der Fastenzeit und man habe für ausgehungerte Radfahrermägen kein Fleisch im Kühlschrank. Uns juckt das nicht wirklich, denn die Bohnensuppe und die eingelegten Sardellen schmecken wirklich ausgezeichnet. Und wenn es nach Ivica und Marija geht, ist für die nächsten Tage unsere Unterkunft bereits gesichert: etwa 40km weiter südlich wohnt Luka, der hat immer ein Zimmer frei, und wenn wir es noch etwas weiter nach Süden schaffen, böte sich auch Anton an. Es gibt viel zu erzählen und so wird es noch ein langer Abend bei selbstgekelterten Wein und Ölkrapfen.

 

Es lebe die dalamatinische Riviera! Ein echtes Highlight unserer Reise - und es ist nicht der Pamir Highway!

19. Februar: von Brela nach Ploce

Strecke: 73 km

min. Höhe: 3m, max. Höhe: 159m

Höhenmeter: 797m

Auch heute finden wir wieder perfekte Bedingungen zum Radeln vor, doch schenkt man unserer Wetter-App Glauben, ist jetzt eine neue Sturm- und Regenfront gnadenlos hinter uns her. Ab Samstag soll sich die Wetterlage komplett umstellen und bis dahin wollen wir den sicheren Hafen Dubrovnik erreichen. Wir treten also ein spannendes Wettrennen an – die Front oder wir: wer ist zuerst da?

Noch ist davon gar nichts zu merken. Immer wieder eröffnen sich gigantische Ausblicke auf die inselüberstäte Küste, entlang der Straße blühen bereits die ersten Kirschbäume und in unserem Rücken ragt das bis zu 1800 Meter hohe, schneebedeckte Massiv der Dinarischen Alpen auf. Wie wir das als weichgespülte Schönwetterradler eigentlich auch erwarten, hält sich heute sogar die Bora vornehm zurück. Ich muss die Augen zusammenkneifen, so strahlend hell und schön ist dieses Geschenk an uns selbst: mit dem Fahrrad nach China radeln! Zum Horizont radeln, um zu sehen was dahinter liegt. Und dann zum nächsten. Und zum übernächsten.

So etwas wie Infrastruktur gibt es in diesem Abschnitt der kroatischen Adriaküste während der Nebensaison allerdings nicht. Erst im dritten Urlaubsort ist man in einem Café in der Lage, für uns eine Scheibe Toast aufzutreiben. Nein Danke, dann lieber die Tuc-Kekse und zwei Äpfel aus dem Supermarkt.

Dementsprechend sind wir gewarnt, als wir am späten Nachmittag eine kleine Passhöhe unweit der Stadt Ploce erreichen. Eine alte Frau kehrt gerade von der Feldarbeit zurück und spricht uns an: „Do you speak English?“. „Yes“, geben wir erstaunt zurück. „Where you go? “ „To Dubrovnik. “ Unsere Antwort löst ein mittleres Erbeben aus, denn die Frau wirft entsetzt die Hände hoch und schüttelt zur Bekräftigung heftig verneinend den Kopf. “Ooooooooooh, Dubrovnik no good kilometre.” Wir sehen uns irritiert an. Was soll das heißen? Wo soll es sonst hingehen? Wir wiederholen unser Reiseziel und ergänzen es dieses Mal vorsorglich mit wichtigen Hintergrundinformationen wie Routenplanung und Etappenziele. Das bringt überhaupt nix. Das Entsetzen der Bäuerin wird umso größer, je öfter wir den Namen Dubrovnik nennen. „Dubrovnik nooooo good kilometre“. Ist die Straße schlecht? Gab es einen Erdrutsch? Haben Aliens die Perle der Adria besetzt? Oder irgendetwas Anderes in der Weltpresse, was wir verpasst haben? Die Verhandlungen stocken. So kommen wir irgendwie nicht weiter, sodass wir es mit einer leicht modifizierten Variante probieren. „We go to Ploce“. Es ist einem Login ähnlich – mit „Ploce“ haben wir offensichtlich und endlich das richtige Passwort geliefert, denn sofort hellen sich die Gesichtszüge der Dame auf: „Aaaaah, Ploce good kilometre. Very good kilometre. Hotel.“ Anscheinend klammert der englische Wortschatz der Dame die Wörter „today“ „too“ und „far“ aus, und somit wollte man uns lediglich davor warnen, heute noch die restlichen 120km nach Dubrovnik zurückzulegen und vorschlagen, stattdessen lieber im nahegelegenen Ploce Station zu machen. Das war uns eigentlich klar, doch immerhin hat dieser Dialog eine wertvolle Insiderinformation mitgeliefert, die uns bislang so gar nicht bewusst war: es gibt ein Hotel in Ploce, den kleinsten gemeinsamen Nenner, was Übernachtungen angeht.

So etwas sollte man von einer 10.000 Einwohnerstadt an der kroatischen Adriaküste eigentlich auch erwarten, doch als hinter einem Hügel die ersten Plattenbauten ins Blickfeld rücken, merken wir rasch, dass wir heute mal nicht in einem schnuckeligen Touristenort unser Quartier beziehen werden. Ploce liegt an der Küste, klar, es liegt aber auch an einer strategisch wichtigen Flussmündung die es zu einer wichtigen Hafen- und Industriestadt befördert.

Ploce ist eine der abgedrehtesten Orte, die ich bisher gesehen habe. Würde mich jemand fragen wo ich jetzt wäre, meine Antwort wäre „Jugoslawien“, auch wenn das hier niemand gerne hört. Das Stadtzentrum ist winzig, die im Belgrader Betonbarock gehaltenen Wohnblocks gruppieren sich um ein eigentlich ganz hübsches Hafenbecken mit gepflegter Parkanlage. Fast sämtliche Gebäude stammen aus der Tito – Ära, obwohl, wie unser schlaues Smartphone verrät, die Stadt bereits im Mittelalter existierte. Immerhin ist hier endlich mal was los – die einzige Straße wird von jungem Publikum bevölkert und es reiht sich eine Kneipe und Pizzeria an die nächste. Ploce ist Sobe-freie Zone und das brackige Hafenbecken lädt nun auch nicht wirklich zum Zelten ein. Somit schließt sich der Kreis und am Ende bleibt das erste Mal seit Venedig nur noch die Option Hotel übrig. „Bergblick oder Meerblick?“, fragt der Portier. „Meerblick!“, strahlt Minxin und in der Tat werden wir nicht enttäuscht und genießen für eine Nacht sogar beides – den Blick auf die blaue Adria, verdeckt durch einen Berg von Autowracks, der sich zwischen Hotel und Hafen stapelt.

Abschied von Ivica und Marija; weiter bei Sonnenschein die Adriaküste hinunter; mal was anderes: die Industrie und Hafenstadt Ploce (von links oben nach unten)

20. Februar: von Ploce nach Slano

Strecke: 63 km

min. Höhe: 0m, max. Höhe: 165m

Höhenmeter: 572m

Heute beginnt das chinesische Neujahrsfest und so kommt es, dass wir noch am späten Vormittag gemütlich in der Sonne unseren Macchiato schlürfen. Erst als das Glockenwerk der Waschbetonkirche 12mal schlägt, machen wir uns auf den Weg. Die Fahrt verläuft wie in den letzten Tagen – unspektakulär und nett durch hübsche Landschaft. Irgendwann passieren wir eine Abzweigung nach Sarajewo und für einen Moment überlege ich sogar, unsere Route umzuplanen und landeinwärts zu fahren.

Wir machen einen kurzen Fotostopp bei einer koreanischen Großfamilie, die einen ganzen Busparkplatz entlang der Straße beschlagnahmt hat, um in der Mittagssonne Kimchi und Bulgogi zuzubereiten. Kurz darauf taucht die Straße urplötzlich Richtung Küste ab. Nach vorne alles frei, jetzt noch ein kurzer Blick in den Rückspiegel, alles klar, auf gehts. Blind für die Schönheit der Adriaküste stürze ich abwärts, Bäume und Gebäude zischen an mir vorbei. Es taucht ein Schild auf, das zum langsam Fahren mahnt (50kmh) während das Display meines Fahrradcomputer bei 54kmh angekommen ist. Einmal mit dem Fahrrad in eine Radarfalle sausen – der letzte Traum der Menschheit! Ich male mir aus, wie meine Schwester in Berlin, die sich um unsere Post während der Abwesenheit kümmert, einen Brief aus Kroatien öffnet, der außer unverständlichem Text ein Foto von mir auf dem Fahrrad, eine Geschwindigkeitsangabe und einen Geldbetrag enthält. Der Wind stemmt sich tapfer gegen mein Fahrrad. 55km/h, 56 km/h ….dann verflacht die Steigung, die Straße macht eine Linkskurve und in der Ferne tauchen Zollabfertigungsgebäude auf.

Etwa 10km unserer heutigen Strecke werden durch bosnisches Territorium verlaufen. Diese politische Besonderheit geht auf das 18. Jahrhundert zurück, als das unter osmanischer Kontrolle stehende Bosnien einen winzigen Meerzugang zugesprochen bekam. Als Folge daraus ist Kroatien bis heute zweigeteilt, die Gegend um Dubrovnik eine Exklave ohne Zugang zum Rest des Landes. Und in Bosnien konzentriert sich der gesamte Badetourismus des Landes auf die Stadt Neum an der Adriaküste. Sobes, Appartmani und Hotels unterschiedlicher Preisklassen ringen um die Gunst der Kunden. Das Geld ist bitter notwendig, denn seit Ende des Krieges vor 20 Jahren ist das Land wirtschaftlich nicht mehr richtig auf die Beine gekommen. Bosniaken, Kroaten und Serben wissen wenig miteinander anzufangen und noch immer regieren drei Präsidenten das Land. Die zum Teil kyrillisch beschrifteten Verkehrsschilder in Neum sind mit Grafitti übersprüht, da kyrilllisch die bevorzugte Schriftsprache der Serben ist, die hier die Mindeheit bilden. Der von der UN berechnete HDI Index, welcher Einkommenshöhe, medizinische Versorgung, Zugang zu Bildungseinrichtungen, etc. berücksichtigt. listet Bosnien unter 187 Staaten an 86. Stelle, direkt hinter Peru und knapp vor Thailand. Bosnien ist das ärmste Land, das wir bislang bereisen. Oder besser gesagt: es war ein armes Land, bis Minxin Qian und Florian Welzel sich entschlossen, es zu besuchen.

In einem stinknormalen Straßenrestaurant zahlen wir 35 Euro für ein ebenso stinknormales Essen. Der Wirt spricht fließend Französisch, da er, wie er später erzählt, in Nizza auf dem Bau gearbeitet hat. „Was möchten Sie essen? Ich kann ihnen den mixed grill nur wärmstens empfehlen.“ „Danke. Wir nehmen lieber Schnitzel und Cevapcici.“ „Also kein Mixed grill?“ „Nein, vielen Dank.“ Der Kellner eilt in die Küche und erscheint eine Dreiviertelstunde später mit einer riesigen Platte gegrilltem Fleisch. „Cevapcici?“, fragen wir ungläubig. „Ja, Cevapcici und Schnitzel“, strahlt der französischsprachige Wirt über das ganze Gesicht. „Okay. Cevapcici und Schnitzel als Mixed Grill“, geben wir uns kleinlaut geschlagen.

Eine halbe Stunde später sind wir bereits wieder in Kroatien. Die Nacht verbringen wir auf Empfehlung von Ivica und Marija wir in einem einsamen Sobe abseits der Hauptstraße. Das schüchterne, ältere Ehepaar lädt uns ins Wohnzimmer auf eine Flasche selbstgekelterten Wein ein. Die Gespräche drehen sich um ihre Familie und unser Vorhaben, nach China zu radeln, scheitern aber immer wieder an der zu hohen Sprachbarriere. Nach und nach verstummt das Gespräch und unsere Blicke richten sich auf den Fernseher, wo das erste kroatische Staatsfernsehen am Freitagabend Ausschnitte von Woodstock und anschließend eine Dokumentation über die Rolling Stones zeigt (während auf ARD und ZDF wohl gerade Telenovelas und das Musikantenstadl laufen).

südkoreanische Expats aus Bulgarien (o.r.); STOP: ein richtiger Grenzübergang für die Bosniaken - wir verlassen für 10km die EU (m.m.); Neum, die einzige bosnische Stadt mit Meerzugang (m.r.); Hotel Stella, gleich gegenüber und trotzdem 1,5km entfernt (u.l.)

21. Februar: von Slano nach Cavtat (bei Dubrovnik)

Strecke: 58 km

min. Höhe: 2m, max. Höhe: 208m

Höhenmeter: 760m

Nur noch 35km bis Dubrovnik! Dort wollen wir 2 Tage Pause einlegen und Minxins Geburtstag feiern. Seit Tagen stehe ich in regem Austausch mit der gastronomischen Szene Dubrovniks, da ich mir zum Ziel gesetzt habe, Minxin mit ihrem Lieblingsessen – Wantan-Suppe, gefolgt von Mizhizhuroumantou  zu überraschen. Wer bereits in diesem Winkel dieser Welt versucht hat, ein China Restaurant ausfindig zu machen, der weiß womöglich auch was es heißt, in Saudi Arabien eine Schweinshaxe mit einer Maß Bier zu bestellen. Tatsächlich gab es mal ein China Restaurant in Dubrovnik, das allerdings vor 10 Jahren wegen Erfolglosigkeit schließen musste. Nun muss es halt ein Fusion-Restaurant, versteckt in dem Gassengewirr der Altstadt, richten.

Chinesisch ist auch die Stimmung während wir uns der Stadt nähern – eher süßsauer. Die enge, aber dichtbefahrene Bundesstraße führt meist steil nach oben, rechts gähnt ein 200 Meter tiefer Abgrund zum Meer und von vorne bläst uns unbarmherzig die Bora entgegen. Wir leisten Schwerstarbeit bis schließlich das Unvermeidbare eintritt: während einer steilen Bergabstrecke macht Minxin eine Vollbremsung und kommt abrupt zum Stehen. Es dauert, bis ich realisiere was passiert ist: auf der anderen Straßenseite steht ein Radfahrer, und zwar kein gewöhnlicher, auch kein Rennradfahrer (das ist seit Slowenien ohnehin selten geworden), sondern ein Asiate mit einem schwer bepackten, robusten Trekkingrad. Es ist der erste Fernreisende zu Rad, den wir treffen: Yu-Ji, der aus Japan über China fast dieselbe Strecke in die entgegengesetzte Richtung geradelt ist, und noch weiter bis Lissabon möchte. Wer sein Japanisch aufbessern möchte, der darf das gerne hier tun.

Der Rest des Tages verläuft unspektakulär bis problemlos, sodass wir zeitig, Cavtat einen Vorort Dubrovniks erreichen, wo wir für die nächsten drei Tage unsere Zelte aufschlagen werden. Die Regenwolken liegen weit hinter uns.

40km vor Dubrovnik beginnt die Bora zu wehen (o.m.); Blick auf Dubrovniks Altstadt (u.l.); Tanz auf der Rasierklinge (u.m.); der erste Fernradler stammt aus Japan (u.r.)

22. bis 24. Februar: in Dubrovnik

Preisfrage: welches Land hat als erste die Vereinigten Staaten von Amerika anerkannt? Die Antwort lautet: es war der Stadtstaat Dubrovnik im Jahre 1776. Bis Napoleon Truppen diesen Teil der Adria eroberten, konnte Dubrovnik seine Stellung als wichtige Handelsmacht und Gegenpol Venedigs in der Adria wahren und noch heute verbindet der Stolz auf die Unabhängigkeit die Bürger dieser Stadt. Weitere Zeugen dieser Epoche sind die monumentalen Festungsmauern, die den Altstadtkern umklammern sowie die zahlreichen Paläste, Kirchen und marmorgefliesten Straßen.

Okay, die Stadt hat nicht nur gute Zeiten hinter sich, Anfang der 90er Jahre wurde sie über Monate hinweg von serbischen Armeeeinheiten belagert und bombardiert, mehrere Hundert Menschen kamen dabei zu Tode. Während einige Denkmäler und zwei Museen noch daran erinnern, scheint (droht?) Dubrovnik sich heute von einem gewöhnlichen Touristenziel zu einem Treffpunkt der Schönen und Reichen zu entwickeln. Überall öffnen trendige Cafés und Gourmetrestaurants ihre Pforten, ein privater Yachthafen bedient die Bedürfnisse der oberen Zehntausend, Filialen von renommierten Luxus-Hotelketten drängeln sich am Rande der Altstadt. Somit ist Minxins Geburtstagsgeschenk nicht die ominöse Yes-Torte, überreicht in einem nassen Zelt im Regenwald, sondern ein standesgemäßes Drei Gänge Menu im Fusion Restaurant Azur. Eigentlich ist heute Ruhetag im Azur, doch Vedran hat anlässlich des Geburtstags extra sein Restaurant geöffnet und verwöhnt uns mit – unglaublich, aber wahr – Shrimp Wantan-Suppe und Mizhizhurou-Mantou.

 

An dieser Stelle möchten wir allen nochmal für die netten Geburtstagsglückwünsche danken, die uns erreicht haben.

Dubrovnik: von einer belagerten Stadt zum Ort der Schönen und Reichen. Es gibt auch Wantan für Minxin

Kommentare: 4
  • #4

    zhangxiaoling (Sonntag, 22 März 2015 09:38)

    克罗地亚境内的风景好美啊

  • #3

    Bernhard (Montag, 02 März 2015 00:49)

    Auch von mir noch nachträgliche Geburtstagsgrüsse mit den besten Wünschen für dein neues Lebensjahr, Minxin.

    Und weiterhin schöne und erlebnisreiche Tage!

    Grüsse Bernhard

  • #2

    SImon und Zhuo (Sonntag, 01 März 2015 16:35)

    Happy Birthday nachtraeglich! ;)

    ...und radl on!

  • #1

    Christof (Donnerstag, 26 Februar 2015 16:22)

    Danke für die interessanten Reiseberichte! Weiterhin gute Fahrt und bleibt schön gesund.